Seit vier Jahren treibe ich auf diesem Planeten mein Unwesen, umgezogen bin ich bereits dreimal. Gespickt von den kuriosesten, aber auch gefährlichsten Geschichten ist das Leben eines Bulldoggen-Vagabunden ein ewiges Balancieren an der Klippe des Lebens. Eines von diesen tollkühnen Abenteuern erlebte ich kurz nach meinem letzten Umzug, welcher mich hinauf in die Berge des Ruhrgebiets führen sollte und wo ich bis heute meine Hütte aufgeschlagen und mein Revier gekennzeichnet habe. Das allerdings war ein harter, todesmutiger Kampf. In den ersten Wochen hatte ich es nämlich mit einem viel zu groß geratenem Kontrahenten zu tun – dem Löwen.
Der Löwe wohnte mit seiner Braut gegenüber in einem zweistöckigen Haus ganz oben. Er war so groß, dass er vom Balkon aus locker über die Brüstung bis zu mir herüber schauen konnte. Das hieß natürlich auch, dass er ewig ein Riesentheater machte, sobald Menschen oder Hunde sein Territorium passierten. Alles halb so wild – bis hierher.
Wild wurde es nur, wenn er samt Braut, der Löwin, von seinem weiblichen Federgewicht-Menschen, der gerade mal halb so viel auf die Waage brachte, wie er selbst, an meinem Revier vorbei zur nebenan liegenden Hundewiese geführt wurde. Ihr müsst wissen, dass ich die Herrschaft über mein Grundstück sowie über die Wiese nebenan habe, die wir und die Nachbarn als Auslauffläche nutzen bzw. ich sie nutzen lasse. Naja. Das denke ich jedenfalls. Das Problem: Der Löwe, Lord mit Namen, hatte wohl irrtümlicherweise selbigen Gedanken.
Dass dieser Gedanke nur aus dem Reich seiner Träume entsprungen sein konnte, ließ ich den Löwen selbstverständlich jedes Mal lautstark spüren. Ich kläffte so heftig, dass ich jedes Mal einen Hops in die Luft machte und mir sogar ab und an versehentlich ein Lüftchen entfleuchte. Stolzen Kammes zeigte ich dem Löwen hinter dem Schutz des Zaunes, wer hier der wirkliche Boss in den Bergen ist. Bis zu einem jenen Tag.
Ich turnte gerade im unteren Bereich der Hundewiese herum, auf der Suche nach einem geeigneten Plätzchen, um in aller Gemütlichkeit ungesehen mein Geschäft zu verrichten. Frauchen war mir natürlich – wie nervigerweise immer – auf den Fersen. Sie befand sich also mit mir im unteren Bereich. Einige Tage zuvor hatte der Löwe beinahe einen Kumpel aus der Nachbarschaft zu Tode gebissen. Der Arme musste notoperiert werden. Daher passte Frauchen mehr denn je auf mich auf. Aber wer hätte gedacht, dass der Löwe urplötzlich aus dem Dickicht auf dem Hügel auftaucht? Im Schlepptau eine noch schmächtiger Perle, als sein eigentliches Frauchen. Logo, dass ich da nach dem Rechten sehen musste.
Ich rase also hoch zu dem Löwen, festen Willens dem Typen endlich mal zu zeigen, wo der Frosch die Locken hängen hat. Oben angekommen merke ich: Ach, du Scheiße! Ist der groß – und diese Zähne. Macht aber nichts. Denn als gestandener Bully musste da durch. Die kleine Fahne im Wind, die da versucht den Löwen zu zähmen, hat natürlich null Chance. Und ehe ich mich versehe, kann auch ich mir die Karten legen und befinde mich mit den Hinterläufen in den Fängen der Bestie. Links, rechts, links, rechts – er schleudert mich hin und her. Wie eine Beute. Ich versuche mich zu wehren. Keine Chance. Frauchen schreit hysterisch, versucht dazwischen zu gehen. Keine Chance. Vom Balkon aus schreien die Nachbarn mit. Meine Beine reißen in den Zähnen des Löwen, aber ich merke den Schmerz nicht. Ich muss ihn fertigmachen, egal wie. Mein einziger Gedanke. Auf einmal schaffe ich es, mich aus den Schlingen zu befreien. Frauchen schreit, versucht mich zu nehmen. Ich kenne kein Erbarmen: Du musst gewinnen, geistert weiter durch meinen Dickkopf. Also gehe ich nochmal drauf auf den Löwen. Noch mal packt er mich, beißt zu, erwischt mich beinahe am Hals. Und dann – dann packt Frauchen mich und nimmt mich hoch. Ich total außer mir, Adrenalin auf 180. Der Löwe schielt mich an, ziemlich blöde wie er da so aus der Wäsche guckt.
Eine halbe Stunde später lecke ich meine Wunden und denke: Fast gewonnen. Es ist ja so: Dafür, dass ich einsehe, dass ich der Schwächere sein könnte, dafür habe ich leider viel zu dicke Eier. Kurze Zeit später ist der Löwe zum Glück weggezogen. Sein Glück. Natürlich.
2 Antworten
[…] den Löwen von gegenüber, von deren Kampf mit mir ich ja letztens erst erzählt habe, wohnen noch weitere quirlige Gesellen: die Gang, wie ich sie […]
[…] hat Zuwachs bekommen. Und ich dachte: Schlimmer geht nimmer. Glaubt mir: Es geht! Nach dem Kampf mit dem Löwen habe ich damit hoch offiziell einen neuen Erzrivalen. Einen, der einen extrem vielversprechenden […]