Endlich. Urlaub! Heißt im Konkreten: Alle Viere gerade sein lassen, geschmeidig ne ruhige Kugel schieben, einen Langen hängen lassen – so jedenfalls mein Wunschgedanke. Denn anders als erwartet, habe ich gleich zu Anfang sämtliche Pfoten voll zu tun gehabt. Das war nämlich so…
Freitagmorgen, Frauchen ist ziemlich aufgedreht, nicht so wie sonst, wenn sie mir ohnehin vorkommt, wie ein springender Rehpinscher auf zwei Beinen, heute ist es anders. Sie rennt mit irgendwelchen Klamotten bepackt von einer Ecke in die andere. Kerl inne Kiste, da ist doch was im Busch! Frauchen? Nu sach schon! Als auf meine Taktik, mich ständig in den Weg zu stellen, vor die Tür und auf die Badematte zu legen, keinerlei Reaktion kommt, beschließe ich, meine wachsame Stellung an meiner Stützung oben am Tor einzunehmen. Sicher ist sicher. Hier habe ich alles genauestens im Blick, niemand kommt ungesehen vorbei – und fährt unverschämterweise noch ohne mich weg.
Und dann kommt er, der Aha-Moment: Kurzer Zeit später klärt sich die Situation auf. Herrchen erscheint, das weiße Wohndingen auf Rädern wird heraus geschoben, und einen Moment später sitze ich im Auto. Wusste ich es doch! Los geht’s! Op de Camping. Hurra!
Ich mache ein kleines Nickerchen für kleine, hundemüde Franzosen, dann kommen wir in Holland an. Was macht’n der hier?! Ich staune nicht schlecht: Mein Cousin Rocko, seines Zeichens ebenfalls Französische Bulldogge, sitzt da schon seelenruhig in der Parzelle und breitet sich gelassen, munter schmatzend aus. Frechheit! Ihr müsst wissen, ich kann den Typen nicht mehr riechen. Bis ich ein Jahr alt war, waren wir unzertrennlich, haben im gleichen Körbchen geschlafen und zusammen gespielt. Jetzt, wo ich groß bin, kann ich das nicht nachvollziehen. Der Typ regt mich auf. Nur doof zu gucken braucht der, da bekomme ich einen Kamm wie ein keiner Punker. Woraus dieser Sinneswandel resultiert ist? Fragt mich nicht. Eigentlich ist nichts vorgefallen. Urplötzlich hat der beige Kumpel mir gestunken. Aber gut, solange er mir nicht die Quere kommt oder – noch schlimmer – mein Territorium betritt, erlaube ich ihm gnädigerweise neben mir zu existieren. Ist ja Familie.
Der erste Tag geht schnell um. Hundemüde bin ich, als ich mich ins Körbchen lege. Allerdings liegt da etwas in der Luft, etwas, was mich beunruhigt. Ich weiß nicht was, aber es wird nicht gut werden. Da bin ich sicher. Ich schlafe ein.
Morgens, 7.30 Uhr in Den Haag, Holland. Ich mache die Augen auf und sehe das wirbelnde Frauchen. Äh, hallo? Was’n los? Ich glaube, die macht Ernst. Die will tatsächlich zu so un-tierischen Zeiten joggen gehen. Buhhh! Aber gut, gehe ich halt mit. Eine Wahl habe ich ohnehin nicht und ein bisschen Frühsport schadet bekanntlich nicht. Mein Astralkörper kommt ja nicht von irgendwo her. Auf dem Weg zum Strand werde ich schon ganz kirre und nervös, überall liegen Stöckchen rum. Bin ich im siebten Bully-Himmel? Ihr wisst ja von meiner hölzernen Sucht, ein schweres Laster. Reiß dich zusammen, Kumpel, denke ich, reiß dich zusammen, und ermahne mich selbst. Erstmal zum Strand. Einziges Problem: Bis dahin schaffen wir es nicht. An den Dünen angekommen, drückt der Wind mir so dermaßen ins Gesicht, dass ich aussehe wie ein Basset beim Cabrio-Fahren. Herrje. Und dann noch dieser Sand, der wie Tausende Nadelstiche auf mich einpeitscht. Ich schaue Frauchen an, und stelle fest: Die sieht nicht besser aus. Im Gegenteil. Ganz schön bescheuert sieht die aus, mit ihren in alle Himmelsrichtungen stehenden Haaren. Besser wir machen kehrt und wählen den Weg durch die Dünen, bevor das noch jemand sieht. Der Wind wird trotzdem immer stärker, selbst in den Dünen haben wir zu kämpfen. Im Radio haben sie weit über 90 km/h Windgeschwindigkeit angekündigt. Der Weg zurück zum Platz gestaltet sich daher wie ein Spießrutenlauf zwischen herunterfallenden Ästen. Ich find’s cool, Frauchen weniger. Memme!
Als wir am Campingplatz ankommen, bewegen sich die mächtigen Bäume, die reihenweise vor unserem Wohnwagen stehen, wie riesige Fahnen im Wind. Wer hätte gedacht, dass sich Bäume solcher Größe in dieser Weise verbiegen können? Die Vorzelte wackeln, die Menschen sind sichtlich beunruhigt und versuchen wie aufgescheuchte Pudel, die unbehagliche Situation unter Kontrolle zu bekommen. Von Glück können die reden, dass ich dabei bin. Überall knacken die Bäume, Stöckchen fallen fast minütlich zu Boden und bauen sich wie ein Holz-Paradies vor mir auf. Links, rechts, knick, knack – wo ist es hingefallen? Ich krieg sie alle! Und dann verarbeite ich sie zu feinstem Kleinholz. Bully-Ehrenwort! Nicht umsonst nennt man mich den französischen Förster aus dem Ruhrgebiet. Wohin ich auch sehe, Äste, Stöckchen und teilweise ganze Bäume liegen auf den Wegen. Wie soll ich das denn alles schaffen? Egal. Da musste durch. Urlaub hin oder her. Es gibt Sachen im Leben, die du als waschechter Bully eben machen musst. Also schleppe ich halbe Bäume quer durch den Wald zu unserem Platz. Stolz wie Oskar zeige ich Frauchen, was ich da angeschleppt habe. Der Platz vor unserem Wohnwagen gleicht mittlerweile einem Beet aus Ästen. Da habe ich ganze Arbeit geleistet, denke ich – und schaue Frauchen mit angelehnten Ohren freudig an. Die scheint irgendwie nicht sonderlich erfreut über meine persönlichen Aufräumarbeiten. Komisch. Hat sie bestimmt noch nicht richtig gesehen. Ich nehme also einen dicken Stock und ramme ihn mit vollem Schwung vor ihre Beine. „Da! Guck jetzt, was ich gemacht hab!“ Frauchens Blick wird finster. Oh oh, da stimmt was nicht. Ehe ich mich versehe, landet mein angeschleppter Ast im Dickicht des Waldes, Frauchen schimpft und hebt einen Stock nach dem anderen auf, nur um einen nach dem anderen wieder dahin zu katapultieren, wo ich sie mühevoll hervorgeholt habe. Tze. Weiß die denn gar nicht, was das für eine Malloche war? Aber ärgern tue ich mich nicht, denn: Ich hab Urlaub. Dann räume ich halt zuhause weiter auf. Da wird sie sich freuen.